Bryony Dawson
NON-PRODUCTIVE READERS
NON-PRODUCTIVE READERS ist eine Lesegruppe für informelle Gespräche über Kunst, Kulturtheorie und experimentelles Schreiben. Initiiert von Bryony Dawson im Jahr 2022 und benannt nach dem Essay The Non-Productive Attitude von Josef Strau, erkundet die Gruppe Themen wie Passivität, Ambivalenz, Scheitern und Verweigerung als wesentliche Aspekte kreativer und institutioneller Praxis. Vergangene Lektüren umfassten Texte von Lisa Robertson, Jean Genet, Tiqqun, Clarice Lispector, Katrina Palmer, Jalal Toufic, Gertrude Stein und Seth Price.
Die Treffen der Lesegruppe finden jeweils in den Pausen zwischen den Ausstellungen statt. Die ausgewählten Texte knüpfen dabei thematisch an Erfahrungen und Eindrücke der vorangegangenen Ausstellung an und geben zugleich eine inhaltliche Einführung in das nächste Projekt.
Die Diskussionen finden hauptsächlich auf Englisch statt, eine Flüsterübersetzung und deutsche Textversionen werden angeboten. Es sind keine Vorkenntnisse in Kunst oder Kulturtheorie erforderlich – nur die Motivation, gemeinsam zu lesen und zu denken.
Jede Sitzung widmet sich einem spezifischen Text, entsprechend besteht keine Verpflichtung, an der gesamten Reihe teilzunehmen. Stille Zuhörer:innen sind immer willkommen.
Um das Lesematerial zu erhalten, bitten wir um Anmeldung unter: readinggroup@halle-fuer-kunst.de
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In der 1. Sitzung am 22.05.2025 lesen wir:
Jean-Luc Nancy, Zum Gehör, 2010
In dieser lyrischen Reflexion über das Zuhören untersucht Jean-Luc Nancy Klang in Bezug auf Wissen, Subjektivität und das Selbst. Der Text regt zum Nachdenken darüber an, wie sich das Zuhören grundlegend vom bloßen Hören, vom Sehen und vom rationalen Denken unterscheidet. Während traditionelle Philosophie der Visualität und der Rationalität den Vorrang gibt – Wahrnehmungsweisen, die verorten, benennen und kontextualisieren – schreibt Nancy dem Hören eine verkörperte Offenheit zu, die auf Resonanzen jenseits klarer Bedeutungen eingestimmt ist. Er hinterfragt, welches Geheimnis auf dem Spiel steht, wenn man wirklich zuhört, das heißt, wenn man versucht, die Klangfülle zu erfassen oder zu überraschen, und nicht die Aussage.
Da „das Ohr kein Augenlid hat“ (Pascal Quignard), kann man sich dem Klang nicht verschließen oder ihn ignorieren: Er durchdringt, umhüllt und durchzieht den Körper; er resoniert, statt nur zu repräsentieren. Für Nancy ist diese Resonanz ein Sinnbild für die Subjektivität selbst – das Selbst gleicht einer Echokammer, einem Raum oder einer Schwingung, die sich stets im Verhältnis zu dem entfaltet, was es empfängt.
Das Jahresprogramm der Halle für Kunst Lüneburg e.V. wird gefördert durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur, den Lüneburgischen Landschaftsverband und die Hansestadt Lüneburg.

BRYONY DAWSON lebt und arbeitet als Künstlerin und Autorin in Berlin. Mittels Bewegtbild, Klang, Text und Installation beschäftigt sie sich in ihrer künstlerischen Praxis mit Übersetzungsprozessen zwischen Sprache, Bild und Raum und der generativen Möglichkeit ihrer Abweichungen und Fehler. Zuletzt wurden ihre Arbeiten bei Between Bridges Residency (2023, Berlin, Deutschland), Kingsgate Project Space (2023, London, UK) und Castlefield Gallery (2022, Manchester, UK) gezeigt.
JEAN-LUC NANCY (1940-2021) war ein bekannter französischer Philosoph, der für seine Werke zur Phänomenologie, politischen Theorie und Ästhetik bekannt ist. Er schrieb auch über Kunst, Literatur und Religion und verband dabei oft philosophische Strenge mit poetischem Stil. Als Student von Georges Bataille und geprägt von Martin Heidegger und Jacques Derrida betonte er die Verbundenheit von Individuen und kritisierte traditionelle Vorstellungen von Subjektivität. Zu seinen wichtigsten Schriften gehören Die undarstellbare Gemeinschaft (1988), Singulär plural sein (2004) und La naissance des seins (2006).