Dealing With - Some Books, Visuals, and Works Related to American Fine Arts, Co.
Mit der New Yorker Galerie American Fine Arts, Co. wird ein Phänomen der jüngsten Kunstgeschichte thematisiert, das die üblicherweise als Gegensätze betrachteten Formen von händlerischer und künstlerischer Praxis in einer distinktiven Form zusammenführte. So handelte es sich bei der vom US-amerikanischen Kunsthistoriker James Meyer kuratierten Ausstellung »What happened to the Institutional Critique?« um einen kommerziell schwer verwertbaren, inhaltlich jedoch wegweisenden Beitrag zum institutionskritischen Diskurs – und dennoch um eine Verkaufsschau in den Räumen dieser Galerie. Die Ausstellung fand sich im Programm von American Fine Arts, Co. neben Versuchen der Überschreitung traditioneller Rollen des Kunstfeldes in Richtung massenkultureller Appropriationen, wie sie insbesondere vom Kollektiv Art Club 2000 verfolgt wurden. Auch Colin de Land (1955-2003), der Gründer und Inhaber der Galerie, dem mittlerweile selbst ein legendärer Status zukommt, agierte auf den ersten Blick widerspruchsvoll. Das Programm der Galerie und die daran anknüpfenden Aktivitäten zeichneten sich nicht durch vordergründige Kohärenz aus; de Land war unter verschiedenen Pseudonymen selbst in die Konzeption künstlerischer Projekte involviert, realisierte kunsttheoretische Seminare für Sammler:innen, die nicht zuletzt wiederum dem finanziellen Erhalt der Galerie dienten, war aber auch maßgeblich an der Gründung der Armory Show beteiligt, die heute zu den bedeutendsten internationalen Kunstmessen zählt.
Am Beispiel der Galerie werden gleichermaßen Prozesse der zunehmenden Dekonstruktion eines auf Autonomie gegründeten Kunst- und Kritikbegriffs wie einer wachsenden professionellen Flexibilisierung deutlich. „Dealing with –" fragt nach den Erscheinungen, Bedingungen und Konsequenzen solcher Tendenzen zur Entdifferenzierung im künstlerischen Feld.
American Fine Arts, Co. fungierte für viele der heute etablierten Künstler:innen als frühe Plattform und maßgebliche Quelle von Inspiration. Was lag dem historischen Moment dieses eigenwilligen Gruppenportraits des künstlerischen und theoretischen Diskurses im späten 20. Jahrhundert zugrunde? Wie erlangte es symbolischen und materiellen Wert? Und wie lassen sich seine distinktiven Strategien analysieren und diskutieren, ohne dem Reiz hagiographischer Rekonstruktion zu erliegen? Auch für die gegenwärtige Generation junger Kurator:innen, Kritiker:innen, Kunsthändler:innen und Künstler:innen bleibt die Galerie Faszinosum – zugleich wirft sie eine Reihe von Fragezeichen auf.
„Dealing with –" wurde in Kooperation mit dem Projekt KIM und dem Kunstraum der Universität Lüneburg sowie dem Berliner Kunsthistoriker Magnus Schaefer entwickelt und realisiert. Die Ausstellung gibt einen differenzierten Einblick in Archivbestände und künstlerische Fragenkomplexe des weit über New York hinausreichenden kreativen Feldes, in dessen Zentrum American Fine Arts, Co. situiert war. Innerhalb von „Dealing with –" wird die Auseinandersetzung über das Wechselspiel von symbolischer und materieller Valorisierung, von Konformität und Devianz, von Verneinung und Affirmation des Ökonomischen im künstlerischen Feld exemplarisch anhand von American Fine Arts, Co., aber auch in allgemeinerer Form geführt.
In der Halle für Kunst werden vorwiegend Archivmaterialien gezeigt, darunter die Bibliothek der Galerie American Fine Arts, Co., die Magnus Schaefer in seinem Vortrag „Eine Bibliothek auspacken" kontextualisieren wird. Daneben sind in Vitrinen verschiedene Dokumente, unter anderem aus dem Galeriearchiv, zu sehen, die in Zusammenarbeit mit Patterson Beckwith, Jackie McAllister und James Meyer arrangiert und kommentiert wurden und verschiedene Aspekte der Galeriearbeit historisieren. Der Künstler Patterson Beckwith fokussiert auf das Kollektiv Art Club 2000, das sich 1992 aus Studierenden der New Yorker Kunstakademie Cooper Union und Colin de Land formierte und dem Beckwith einst angehörte. James Meyer nimmt eine Auswahl an Materialien zu der von ihm im Jahr 1993 bei American Fine Arts, Co. kuratierten Ausstellung „What happened to the Institutional Critique?" vor. Ergänzend zeigt die Halle für Kunst Beispiele aus Colin de Lands künstlerischer Praxis unter den Pseudonymen John Dogg und J. St. Bernard.
Für den Kunstraum der Leuphana Universität Lüneburg übersetzen Stephan Dillemuth, Karl Holmqvist, Loretta Fahrenholz und Phillip Zach diese Fragen in neue künstlerische Arbeiten.
Kuratiert von Hannes Loichinger und Valerie Knoll
Veranstaltungen
Filmvorführung John Waters »Pecker« & Loretta Fahrenholz „HAUST"
Montag 06. Juni, 19 Uhr – SCALA Programmkino
Künstlergespräch Axel John Wieder & Stephan Dillemuth
Samstag 18. Juni, 19 Uhr – Kunstraum der Leuphana Universität Lüneburg
Kunst und Kuchen
Sonntag 19. Juni, 15 Uhr – Halle für Kunst
Vortrag Magnus Schäfer: „Eine Bibliothek auspacken"
Donnerstag 30. Juni, 19 Uhr – Halle für Kunst Lüneburg
Halle für Kunst Lüneburg, Reichenbachstr. 2, D-21335 Lüneburg, Öffnungszeiten: Mi – So 14 – 18 Uhr
Kunstraum der Leuphana Universität Lüneburg, Campus Halle 25, D-21335 Lüneburg, Öffnungszeiten: Di – Do, Sa 14 – 18 Uhr
Eine Kooperation der Halle für Kunst Lüneburg eV mit dem Kunstraum der Leuphana Universität Lüneburg und dem Projekt KIM, Innovations-Inkubator der Leuphana Universität Lüneburg, gefördert im EFRE Programm der Europäischen Union.
Gefördert durch das Land Niedersachsen, die Niedersächsische Sparkassenstiftung, die Sparkasse Lüneburg, den Lüneburgischen Landschaftsverband, die Hansestadt Lüneburg und die Lüneburger Bürgerstiftung.
Besonderer Dank gilt dem Kunstverein Hannover.