Yvette Brackman, Mary Beth Edelson
Female Perversion
präsentiert von halle für kunst, Lüneburg e.V.
c/o Atelier Stephan Jung, Invalidenstr. 118
Berlin-Mitte
„Voyeurism, fetishism, exhibitionism, necrophilia – why do men have all the fun?” (1)
Leslie Camhi stellt in ihrem Artikel über den 1997 erschienen Film ‚Female Perversion‘ fest, dass alle bisher erschienen psychoanalytischen Artikel zum Thema Perversion auf rein männliche Vorlieben fokussiert sind. Mary Beth Edelson und Yvette Brackman brechen mit dieser Setzung und fragen offen nach den Fixierungen und pathologischen Obsessionen von Frauen. Die Konzepte von Maskerade, Fetisch und äußerem Erscheinen werden freigelegt und auf ihren Einfluss bei der Formung von Identität untersucht. Lustvolle Intensität wechselt sich mit Autoaggression ab – die Grenzen sind bekanntlich fließend.
Mary Beth Edelson gehört der ersten Generation feministisch arbeitender Künstlerinnen an, die gegen die ausschließlich männliche Kunstgeschichtsschreibung vorgegangen sind und sich in Gruppierungen wie dem Heresies Collective und der Women’s Action Coalition (WAC) zusammengeschlossen haben. Ausgehend von feministischen Gesichtspunkten, versuchte Edelson bereits in den 70er Jahren, Kulturgeschichte neu zu schreiben. In dem Poster ‚Some Living American Women Artists – Last Supper‘, ersetzte sie in Leonardo Da Vincis berühmtem Gemälde ‚Das Abendmahl‘ die Köpfe von Jesus und seinen Aposteln durch die von Künstlerinnen. Kurz darauf ließ sie Gena Rowlands, Mae West oder Marylin Monroe mit gezückter Knarre auf Bettwäsche drucken. Die Frau in ihrer Opferrolle, auch eine männlich konnotierte Setzung, bedarf offensichtlich der Überprüfung.
Yvette Brackman, einer jüngeren Generation feministisch arbeitender Künstlerinnen angehörend, lenkt den Blick auf neuralgische Punkte des eigenen Körpers – sei es. dass sie vergrößerte Abbildungen von Hautkrankheiten zeigt oder den Besucher mit Gewändern bekleidet, die stellenweise durchlöchert sind. Ihre Methode ist das Hinsehen mit dem Ziel der Katharsis durch direkte Konfrontation. Die Farbenfreude und Geschmeidigkeit ihrer autoerotischen Werke und Objekte ‚versüßen‘ das Erlebnis.
Wo Edelson offensiv und anklagend agiert, wirken Brackmans Arbeiten fast weich, nach innen gerichtet und persönlich.
Die „Lust an der Inbesitznahme des eigenen Körpers, die ironische Rückeroberung seiner Fetische, Imagos und Symptomeinschreibungen” lassen einen weiblichen Narzissmus zu, der, wie Creischer/Siekmann treffend konstatieren, „nichts als sich selbst genießen will.” (2)
1. Camhi, Leslie, ‚All about Eve‘, in: Village Voice, April 29, 1997, S. 82.
2. Creischer, Alice/Siekmann, Andreas, ‚Female Perversion‘, in: springerin,
Band IV, Heft 1/98, S. 63.